Historische Spinnerei Gartetal
Industriedenkmal + Kulturkneipe

185 Jahre Papierherstellung im Gartetal

von Henning Hartnack


Zur Spinnerei Klein Lengden mit der alten Fabrikanlage zur Produktion von Garn aus Schafwolle in der Zeit von 1836 bis 1967 gehört auch die Würdigung der beiden vorangegangenen ländlichen Industriebetriebe.

Zum einen die Ära der Getreidemühle von 1596 bis 1651. 

Von dieser sogen. „Saumühle“ sind nur einige Namen bekannt: Saumüller Ernst Sievert, Heinrich Heilandt, Hans M. Kerl. 

Zum anderen die Zeit der Papiermühle von 1651 bis 1836.

Diese Zeit hat einige doch sehr wichtige Spuren hinterlassen. 

Knapp 50 Jahre lang, ab 1651, arbeitete hier Jacob Becker (sein Wasserzeichen war das Einhorn) und später sein Sohn Johannes Becker bis 1732. 

Es folgte der Verkauf der Papiermühle an die „Vormundschaft des Freiherrn C.F. v.  Wrisberg u. v. Schlitz“. 

Mit einem Kostenaufwand von über 800 Talern konnte die Funktion der Papiermühle wiederhergestellt werden. Als neuer Pächter des Freiherrn stellte Papiermüller Stünkel (Wasserzeichen Wappen der Freiherrn v. Schlitz) ein hervorragendes Qualitätspapier her.  

1743 bis 1758 ist Johann Conrad Müller Papiermüller in Klein Lengden. Bei Übernahme der Papiermühle wird das gesamte Inventarium aufgenommen. Ausführlich beschrieben wird der Zustand (innen und außen) des Werk- und des Wohnhauses mit all seinen Einrichtungen, Maschinen zur Produktion und vorhandenen Werkzeugen. Es ist das früheste und zugleich detaillierteste Inventar, das bisher über südhannoversche Papiermühlen bekannt geworden ist. In der Zeit von 1762 bis 1811 wirkte hier Engelhardt Schmidt, der auch die Witwe seines Vorgängers heiratete, zunächst als Pächter später als Eigentümer. Er modernisierte seinen Betrieb, schaffte z.B. einen sogenannten Holländer an, ein Walzenmahlwerk, das auf schonende Weise aus halbzerstampften Lumpen einen Faserbrei herstellte, und er stellt mehr Personal ein. 

Auf diese Weise steigert er die Produktion auf 672.000 Bogen pro Jahr. Sein Wasserzeichen war das Posthorn mit gekröntem Zierschild. Schmidt ist bis heute durch ein Experiment bekannt, das er auf Anregung des Göttinger Jura-Professors Justus Claproth 1774 erfolgreich durchführte. Siehe dazu unten Hinweis und seine Schrift.

Zu damaliger Zeit bestand der Rohstoff für die Papierherstellung aus Hadern und Leinenlumpen. Dieser Rohstoff wurde mit der enormen Zunahme des Bedarfs an Papier für Schreib- und Druckerzeugnisse immer knapper. Aus seiner Tätigkeit als Manufakturrichter war Prof. Claproth mit den wirtschaftlichen Problemen vertraut. Er kam auf die Idee „aus Altpapier wiederum neues Papier zu machen“. Gemeinsam mit Papiermacher Engelhardt Schmidt setzten sie die Idee in die Tat um und hatten Erfolg. Ein Recyclingverfahren war geboren und wird noch heute als „De-Inking“ eingesetzt. 

1825 bis 1836 folgte dem glücklosen Jobst Heinrich Hanweg (1821-1825) Papiermüller Karl Heinrich Friedrich Cornelius Keferstein, der auch die Witwe Hanweg heiratete. Noch unter Hanweg brannte das Fabrikgebäude bis auf die Grundmauern ab. Mit einem Kostenaufwand von 6.000 Talern baute Keferstein das Fabrikgebäude nach eigenen Plänen und neuesten Erkenntnissen wieder auf.  

Keferstein war mit dem Göttinger Baumeister Rohns befreundet, und so liegt es nahe, dass dieser den Neubau, so wie er heute noch steht, mit seiner Baufirma begleitete. Dieses Fabrikgebäude ist alles was, was uns noch an die Zeit der Papiermühle erinnert.  

Keferstein stammte aus einer berühmten Papiermacherfamilie. Sein Vater und seine Brüder waren erfolgreiche Papiermacher im norddeutschen Raum. Unter der Leitung Kefersteins lieferte die Klein Lengder Papiermühle schon nach kurzer Zeit Papier hoher Qualität. Ihr Wasserzeichen war das Sachsenross. 

Wie schon seine Vorgänger hatte Keferstein in Trockenperioden Probleme mit dem Wasser der Garte. Bei Trockenheit fehlte Wasserkraft, aber vor allem fehlte das Wasser für die Papierproduktion. Um Abhilfe zu schaffen entwickelte er die Idee zur Wiederverwendung des eigenen Abwassers aus der Papierherstellung. Dazu war eine Betriebserweiterung notwendig. Unterhalb des Betriebes sollten schmale Kanäle gebaut werden. Dazu benötigte er Grundstücke auf Gemeindegelände. Mit seinen Plänen scheiterte er am Einspruch der Gemeinderatsmitglieder von Klein Lengden, die ihm diese kleinen und an sich wertlosen Geländestreifen selbst für einen überhöhten Preis nicht verkaufen wollten. Er bekam schließlich auch eine Absage des übergeordneten königlichen Amts in Reinhausen. Der wahre Grund wird wohl gewesen sein, dass Keferstein für seine Baumaßnahme keine Klein Lengder beschäftigen wollte, sondern Bauhandwerker aus Duderstadt verpflichtet hatte.  

Keferstein konnte also nicht erweitern. Er konnte nicht mehr kontinuierlich produzieren und gab im Dezember 1836 auf. 

1847 übernimmt Franz Joseph Fromm die ehemalige Papiermühle, die 11 Jahre leer gestanden hatte, für 4800 Taler und baute eine Flanelltuchfabrik und Spinnerei auf.   


Der Fingerprint der Epochen - die Wasserzeichen:


 

 


Der, der seiner Zeit voraus war - Papierrecycling mit De-Inking anno 1774:

Justus Claproth, ein Göttinger Jurist und Hochschullehrer.

Seine Schrift, ein Originaldruck liegt in der Universitätsbibliothek Göttingen:




 

Georg Christoph Lichtenberg war zur gleichen Zeit allerdings der Meinung, dass man erheblich Papier sparen könnte, wenn nicht jeder Dummkopf seine Gedanken auf Papier bringen dürfte.